Freitag, 4. April 2014

Chuck Ragan - Till Midnight (Side One Dummy Records / Uncle M)

Manchmal kann es von Nachteil sein, Impulsgeber einer ganzen Szene zu sein - nämlich dann, wenn die Nachfolger einen qualitativ irgendwann überholen. Chuck Ragan muss sich derartige Sorgen vorerst aber noch nicht machen; der Hot Water Music-Frontmann, der seit Jahren mit seinen Solo-werken praktisch die Blaupause für den uneingeschränkt populären Flanell-Lagerfeuer-Holzfäller-Singer-Songwriter-Folk (fehlt noch ein Wort?) liefert, straft alle Skeptiker einmal mehr Lügen - "Till Midnight" ist nicht Dienst nach Vorschrift, sondern ein großartig rockendes Album geworden.

Das liegt natürlich einerseits daran, dass er sich im Stile der Revival-Tour gleich mit einem ganzen Haufen Musiker umgeben hat. Gitarrist Todd Beene  (Lucero), Drummer David Hidalgo Jr. (Social Distortion), seine langjährigen Begleiter Jon Gaunt (Geige) und Joe Ginsberg (Kontrabass), Gastsänger wie Dave Hause, Jon Snodgrass und Chad Price (Drag the River), Ben Nichols (Lucero) und Jenny O. sowie Keyboarder Rami Jaffee (The Wallflowers); es war immer wieder ganz schön voll im Studio.

Wenn so viele gute Musiker zusammen kommen, ergibt das im Ergebnis zwar nicht zwangsläufig etwas Großartiges - Ragan hat aber ein Händchen dafür, alles perfekt zusammen zu führen. Vom mitreißenden, fröhlichen Opener "Something May Catch Fire" über das Americana-Country-Rockstück "Vagabond", die Springsteen-Verneigung "Revved", das relaxt groovende Folk-Stück "Bedroll Lullaby" oder das nachdenkliche "Wake With You": "Till Midnight" strotzt nur so vor Abwechslung - und großartigen Songs.

Das hat teils Live-Atmosphäre, erinnert an Frank Turner, Gaslight Anthem, natürlich immer wieder an den schon angesprochenen Boss, aber eben auch an viele gute, lebendige, mitreißende Folk- und Americana-Bands. Von Abnutzungserscheinungen ist hier weit und breit keine Spur, im Gegenteil - Ragan klingt hier, zumindest stellenweise, besser als auf allen seinen früheren Solo-Werken.