Freitag, 15. November 2013

Matt Pryor - Wrist Slitter (Arctic Rodeo)

Zugegeben, mit einer Platte dieser Machart und Qualität hatte ich nicht gerechnet. Klar, Matt Pryor ist ein toller Musiker, hat einst mit den Get Up Kids und "Something To Write Home About" Musikgeschichte geschrieben, zumindest für viele Hörer. Auch danach hat er mit GUK, The New Amsterdams und seinen zwei recht ruhigen Solo-Alben solide und teils sehr gute Musik veröffentlicht, da konnte man auch für "Wrist Slitter" eben etwas solides und vielleicht stellenweise sehr gutes erwarten. Aber es kommt ganz anders: "Wrist Slitter" ist toll. Eingängig, emotional, vor allem aber: Uptempo, energetisch, teils laut. Im Grunde fast schon ein "Something To Write Home About 2". Das war so nicht unbedingt zu erwarten.

Gut, wenn man die Entstehungsgeschichte der Platte kennt, dann vielleicht schon. Eigentlich hatte Pryor nämlich die Nase voll vom Musik machen, wollte sich stattdessen seiner Familie widmen. "“My daughter’s eleven and I realized that I had been touring longer with kids than without. It was just one of those things that made me wonder, ‘What am I doing with my life?’ That and, to be completely honest, if I’m never in a backstage dressing room with dicks drawn all over the wall again, that’s fine. There’s no part of my psyche that misses that.”

Es folgten ein paar Monate Auszeit, bis er sich mal wieder mit James Dewees zusammen setzte - dem alten Kumpel aus GUK-Tagen, der auch bei My Chemical Romance Keyboard spielte und Reggie and the Full Effect als Frontmann vorstand. Und plötzlich war die alte Lust und Energie wieder da. Die Auszeit scheint also tatsächlich dazu geführt zu haben, dass Pryor wieder Lust am Musikmachen fand - und letztendlich ein Album aufnahm, das alle Get Up Kids-Platten der letzten Jahre in den Schatten stellt. Und seine ersten beiden Solo-Alben sowieso, auch wenn ein Vergleich auf Grund der stilistischen Unterschiede hinkt.

"The House Hears Everything", "Kinda Go To Pieces", "If I Wear A Disguise", "Foolish Kids" oder "Say What You'Re Gonna Say" - alles tolle Ohrwürmer zwischen Pop, Rock, Midwest-Emo und Keyboard-Bubblegums. Dazu dann eine leicht schräg klingende, aber höllisch eingängige Hymne wie "Before My Tongue Becomes A sword" (mit Chris Conley von Saves The Day am Mikro) und traurige Zwischentöne wie in "There Is No Us" oder "As Perfect As We'll Ever Be" - wenn Musiker nach einer Auszeit immer so gut zurückommen würden, wäre es lohnenswert, diverse Kapellen mal in den Urlaub zu schicken.

Pryor jedenfalls klingt so stark wie seit 1999 nicht mehr - und auch wenn das Meisterwerk von einst natürlich nicht wirklich Gefahr läuft abgelöst zu werden, ist es gut zu sehen, was an tollen Songs noch in ihm steckt.